Rundbrief von Pastor Paulis Urdze
Lager Ohmstede befindet sich in Auflösung. Viele Organisationen und viele Personen in Holland haben mitgeholfen und wollen weiter helfen, daß die lettischen Flüchtlinge in Oldenburg ein besseres, normaleres Leben führen können. Für diese große Hilfsbereitschaft sind wir vom Herzen dankbar. Im folgenden Bericht erlaube ich mir die gegenwärtige Situation im Lager zu skizzieren, auf die schwierigsten Probleme hinzuweisen und einige Vorschläge zu ihrer Lösung zu machen.
Am 1. 9. 1960 waren im Lager Ohmstede 364 Personen untergebracht.
Ihre altersmäßige Aufteilung:
von O bis 14 Jahren – 22%
von 15 bis 21 Jahren – 65%
von 22 bis 45 Jahren – 52%
von 46 bis 65 Jahren – 32%
von 65 bis 87 Jahren – 8 %
24% sind dauernd erwerbsunfähig. 41% leben von einer Unterstützung, 59% von der Arbeit. Der Arbeitsplatz vieler Männer liegt bis 700 km von Oldenburg entfernt – bei den amerikanischen Wach- und Arbeitseinheiten. Ihre Familien wohnen aber im Lager Ohmstede.
39% der Bewohner sind alleinstehend, 36% gehören zu Familien bis 4 Personen und 25% zu Familien von 5 bis 8 Personen.
Die Gesamtzahl der Letten im Regierungsbezirk Oldenburg beträgt 379.
Einige der besonderen Schwierigkeiten:
1. Durch die Auswanderungsaktionen haben 90% der lettischen Flüchtlinge Deutschland verlassen. Eswaren die Gesunden, meistens voll Arbeitsfähigen. Zurückgebliebensind die auf verschiedene Weise Behinderten. Die Stärksten von denen sind wiederum in die Industriegebiete Deutschlands gezogen. Von denen, die noch im Lager sind, fast jeder Alleinstehende und jede Familie haben ihre besonderen Probleme, meistens gesundheitlicher Art.
2. Die Kontakte mit der Umgebung sind gering. Die Flüchtlinge leiden an ihrer Heimatlosigkeit. Für die Meisten aus der Umgebung ist das Lager eine fremde Welt, die man leicht als minderwertig ansieht. Auf die Lagerbewohner wirkt das demütigend. Man rettet seinen Stolz, indem man sich isoliert.
3. Das 15 jährige Lagerleben hat den Unternehmungsgeist Vieler gedämpft. Anzeichen großer innerer Ermüdung sind festzustellen. Dieses gilt besonders für die älteren Leute. Die Jugend hat mit dem aus dem Lagerleben entstandenen Minderwertigkeitsgefühl zu kämpfen.
4. Die Sorge um das eigene Volk lastet schwer auf die Flüchtlinge. In Lettland neben der Bolschevisierungstendenz ist die Russifizierung festzustellen. Im Exil droht die Assimilierung. Sein Volk in einer schweren Situation zu verlassen, erscheint als eine moralisch niedrige Handlung. Andererseits droht die Gefahr, das Eigene krampfhaft verteidigen zu wollen.
5. Für die Unterstützungsempfänger und für die, die wenig verdienen, gibt es bedeutende materielle Schwierigkeiten. Die Fürsorgeunterstützung (für die Erwerbsunfähigen) beträgt monatlich für den Haushaltsvorstand DM 75,–, für die Familienmitglieder über 14 Jahre DM64,–, für die Kinder von 7 bis 13 Jahren DM58,– und für die Kinder bis 6 Jahren – DM 40,–. Das ist das Wenigste, was man zum Leben braucht. Die Miete für diese Unterstützungsempfänger wird bezahlt. Sie bekommen auch einen kleinen Betrag für die Anschaffung von Heizmaterial.
Auch bei denen, die von der Arbeit leben, übersteigt der Verdienst meistens kaum das zum Leben Nötigste. Besonders gilt das für die, die Familie haben. Bei 50% von der Arbeit lebenden ist das monatliche Einkommen unter DM 100,– pro Person.
Was ist bisher getan worden?
1. Das kirchliche Leben: 3 mal monatlich findet im Lager ein Gottesdienst statt. Jede Woche wird eine Bibelstunde, eine Jugendstunde und Sonntagsschule abgehalten. Es gibt auch Gemeindeabende und Vorträge über christliche Themen. Es sind auch oekumenische Gottesdienste zusammen mit der deutschen Gemeinde veranstaltet worden. Die Gemeinde hat auch 2 oekumenische Aufbaulager organisiert. Auch in der sozialen Betreuung ist sie stark beteiligt.
2. Erziehungsarbeit: Im Lager bestehen ein Kindergarten und ein Kinderhort, Diese werden von etwa 60 Kindern ausdem Lager und aus der Umgebung besucht. Die Kinder haben oft auch bei der Programmgestaltung verschiedener Veranstaltungen imLager teilgenommen. Der Kindergarten und der Kinderhort werden von der Stadt Oldenburg unterhalten.
Die Lagerkinder besuchen deutsche Schulen. Einmal wöchentlich wird Ergänzungsunterricht in der lettischen Sprache, Geschichte und Geographie gegeben. Die Teilnahme daran ist freiwillig.
3. Kulturelles und gesellschaftliches Leben: Es werden im Lager Theaterstücke einstudiert und aufgeführt. Es finden Konzerte, Vorträge und Tanzabende statt. Mehrere Organisationen sind tätig. Begegnungen mit der deutschen Jugend und mit Jugendlichen anderer Nationen werden durchgeführt. Es besteht eine Bibliothek und ein Leseraum mit Büchern und Zeitschriften in verschiedenen Sprachen. Jeden Abend kann man das Fernsehprogramm sehen. Es gibt auch Möglichkeiten, Sport zu treiben. Tischtennis- Novus- und Schachturniere werden veranstaltet.
4. Betreung der alten Leute: Vor einem Jahr ist in Oldenburg ein Altersheim eingerichtet worden, wo zum größten Teil alte lettische Flüchtlinge untergebracht sind. Das Heim ist modern und sehr gut eingerichtet. Es wird von deutscher Seite erhalten.
5. Wirtschaftliche Unternehmen:
Um diejenigen zu beschäftigen, die in einem normalen Arbeitsprozeß schlecht hineinkommen können, wurden vor 3 Jahren gemeinnützige Werkstätten eingerichtet. Eine Baracke wurde für diesen Zweck umgebaut. Die Arbeiten führte ein oekumenisches Aufbaulager durch, das Material wurde von der deutschen Regierung zur Verfügung gestellt. Bei der Anschaffung der Maschinen haben deutsche und internationale Organisationen geholfen. Nach sehr großen Anfangsschwierigkeiten, haben die Werkstätten sich jetzt durchgesetzt. Sie haben das Vertrauen der Behörden, mehrerer Industrieunternehmen und der Lagerbevölkerung erreicht. Die Zahl der Beschäftigten ist beträchtlich gewachsen. 1957 waren 3 Vollbeschäftigte, 5 Teilbeschäftigte und 6 in der Heimarbeit Beschäftigte. 1958 – 4 Voll-, 15 Teil- und in der Heimarbeit Beschäftigte. 1959 – 6 Voll-, 18 Teil- und 6 in der Heimarbeit Beschäftigte. 1960 – 20 Voll-, 11 Teil- und 11 in der Heimarbeit Beschäftigte. Die Zahl der Vollbeschäftigten ist hauptsächlich durch Erhalten von Industrieaufträgen gewachsen. Bedeutend für den Aufschwung waren auch die in der letzten Zeit erhaltenen Zuschüsse.
Seit April 1957 sind folgende größere Geldzuschüsse eingegangen: Vom Hilfswerk der Ev. Kirche in Deutschland DM 6150,–; von der deutschen Regierung DM6500,–; Spenden aus Holland DM 2850,–; Spenden aus England DM1800,–; Weltkirchenrat DM500,–; Private Spenden DM 500,–; UN- Hoher Kommissar für Flüchtlinge DM36.000,–. Die Stadt Oldenburg stellte die ganze Zeit Räume unentgeltlich zur Verfügung und sorgte in den ersten beiden Jahren für Heizung und elektrischen Strom.
Die Bedeutung der Werkstätten ist unverkennbar. Die Arbeit gibt den Flüchtlingen nicht nur einen Verdienst, sondern auch ein sinnvolleres Leben, Auch die falsche Beurteilung der Umgebung wird korrigiert, wenn sie sieht, daß im Lager gute und präzise Arbeit geleistet werden kann.
Lagerauflösung.
24 Wohnungen sind auf dem Lagergelände schon neu gebaut worden. 97 weitere Wohnungen werden im Laufe eines Jahres noch entstehen. Ein neuer Stadtteil ist geplant worden.
Zweifellos ist es zu begrüßen, daß die lettischen Flüchtlinge aus den Baracken hinauskommen und ein normaleres Leben beginnen können. Sicher ist es von Bedeutung, die alten Barackenwände mit einer neuen Wohnung vertäuschen zu können. Es wäre aber ein Irrtum, anzunehmen, daß durch neue Häuser alle Problemen gelöst würden. Spuren eines 15-jährigen Lagerlebens lassen sich nicht so leicht beseitigen. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob man die Not so weit wie möglich tatsächlich beseitigt hat, oder ob sie nur zugedeckt worden ist. Das Lager ist für jeden ein sichtbares Zeichen, daß hier etwas nicht in Ordnung ist. Es beunruhigt das Gewissen der Öffentlichkeit. Eine Not, die in neuen Häusern versteckt ist, stört nicht. Man sieht sie überhaupt nicht. Ein Lager trägt immer den Charakter der Vorläufigkeit. So sind die Probleme der Flüchtlinge in der Lagerzeit auch nur vorläufige Probleme. Nach der Lagerauflösung müssen sie entweder beseitigt werden, oder sie gewinnen den Charakter der Endgültigkeit.
Es werden nicht nur die Wohnbaracken, sondern auch die, wo jetzt die kirchlichen und kulturellen Räume sind, abgerissen. Auch die Werkstätten und der Kindergarten werden die jetzigen Räume verlieren. Dadurch wird vieles mühsam Aufgebautes in Frage gestellt werden.
Es besteht hier und da die Anschauung, wenn auch nicht offen ausgesprochen, daß das eigene kirchliche und kulturelle Leben der Flüchtlinge ihre Eingliederung in die Umgebung hindert und deshalb nicht gefördert werden dürfte. In dieser Meinung scheint mir wenig Menschliches zu sein. Sie ist außerdem nicht wahr. Ich kann mir schlecht ein Volk vorstellen, das den Gottesdienst nicht in eigener Sprache haben möchte und das nichts von seinen kulturellen Werten hielte. Das könnte man also auch schlecht von den Letten in Oldenburg erwarten. Gerade weil die völkischen Werte gefährdet sind, liebt man sie besonders. Die Eingliederung kann nicht dadurch erreicht werden, daß man alles Eigene aufgibt. Auf dieser Basis werden nur die moralisch Minderwertigen sich eingliedern wollen. Wenn man die Frage so hinstellt: Eingliederung oder nationale Werte, dann werde die meisten der Flüchtlinge die Eingliederung ablehnen. Die Fragestellung, die Erfolg verspricht, kann nur lauten: Eingliederung und nationale Werte. Wenn der Kampf um das Nationale zu hart wird, kann er leicht in einem nationalen Chauvinismus führen. Das ist das Entgegengesetzte von einer echten Eingliederung und sollte vermieden werden.
Um Mißverständnisse zu vermeiden, muß gesagt werden, daß die obige Anschauung nicht von der deutschen Regierung vertreten wird. Ich wollte sie nur erwähnen, weil sie mir auch in den Niederlanden begegnet ist, allerdings nur sehr vereinzelt.
Vorschläge zur Lösung der durch die Lagerauflösung entstandenen oder zurückgebliebenen Probleme.
Die Adoption des Lagers Ohmstede durch die Niederlanden gibt uns die Hoffnung, daß die Probleme nicht nur zugedeckt, sondern wirklich gelöst werden können. Es ist ja schon sehr vieles eingeleitet worden.
Als wesentlich für die Zukunft würde ich bezeichnen:
1. Die Einrichtung eines Kulturzentrums mit kirchlichen, und gesellschaftlichen Räumen. Daran wäre ein Kindergarten Kinderhort und eine Hausmeisterwohnung angeschlossen. Die Pläne dafür sind ausgearbeitet und auch an mehreren Stellen in Niederlanden vorgelegt worden. Die Gesamtkosten, laut der Aufstellung des Architekten, würden etwa DM 500.000 betragen. Die Baukosten steigen in Deutschland allerdings laufend.
Da die lettische Gruppe in Oldenburg nicht in der Lage ist, die Erhaltungskosten zu tragen und keine Organisation gefunden werden kann, die die Trägerschaft übernehmen würde, sollte auch die Erhaltung gesichert werden. Die Sorge um Kindergarten und Kinderhort würde die Stadt Oldenburg übernehmen. Die Unterhaltung dieser
beiden Hinrichtungen würde etwa DM 30.000 jährlich kosten.
Die Erhaltung des Kulturzentrums (Beheizung, Säuberung, Rücklagen für spätere Reparaturen) würde etwa DM5000,– jährlich kosten. Es wäre vielleicht möglich,einen Betrag aus den Mitteln des Weltflüchtlingsjahres für diesen Zweck zurückzulegen. So könnten diese Kosten, wenigstens teilweise, aus den Zinsen des zurückgelegten Betrages gedeckt werden. Das Bestehen des Kulturzentrums wäre dadurch garantiert.
Als Träger für das Kulturzentrum möchte ich ein internationales Kuratorium vorschlagen, das aus holländischen, deutschen und lettischen Mitgliedern bestehen würde. Eine Instruktion müßte ausgearbeitet werden, wo die Ziele des Kulturzentrums festgehalten sind. Das Kulturzentrum sollte dienen:
1. der Erhaltung des lettischen kirchlichen und kulturellen Lebens.
2. Der Begegnung. Diese sollte man im weitesten Sinne des Wortes verstehen. Gruppentreffen zwischen Deutschen und Letten sollten stattfinden. Die meisten individuellen Begegnungen sind bis jetzt gescheitert. Das ist teilweise mit der bürgerlichen, und damit in sich abgeschlossenen Umgebung, teilweise mit der Empfindlichkeit und der Zurückhaltung der Flüchtlinge zu erklären. Gruppenbegegnungen könnten weiterführen, besonders, wenn sie nicht bei einem deutschen Gastgeber, sondern auf einem neutralen Boden stattfinden könnten. Bei einem Treffen im Kulturzentrum hätten die lettischen Flüchtlinge das Gefühl, daß sie gleichberechtigte Partner sind.
Treffen zwischen Holländern, Deutschen und Letten könnten veranstaltet werden. Internationale Freizeiten wären zu planen. Zu diese, Zweck sind bei dem Kulturzentrum auch Übernachtungsräume vorgesehen. Einen gründlicheren Plan über die Arbeit des Kulturzentrums hier zu erläutern, würde zu weit führen. Wenn es erwünscht wäre, bin ich gerne bereit, ihn aufzustellen. Im Kulturzentrum könnte auch die Bibliothek untergebracht werden. Auch an den Sport sollte gedacht werden.
2. Neubau der Werkstätten.
Ein Grundstück ist dafür in Aussicht gestellt. Das Land Niedersachsen wird wohl bereit sein, es zu kaufen. Die Baupläne werden ausgearbeitet. Die Gesamtbaukosten werden etwa DM 150.000,– betragen. Es sind 50 Arbeitsplätze vorgesehen. In erster Linie sollen Teilaufträge für die in der Nähe liegende Industrie angenommen werden. Es ist vorauszusehen, daß in etwa 2 Jahren die Werkstätten keinen Zuschuß mehr brauchen werden, sondern finanziell sich selbst tragen werden. Über die Finanzierung des Neubaus sind Verhandlungen mit einem Beauftragten des UN-Hohen Kommissars für Flüchtlinge geführt worden. Genaues steht aber noch nicht fest.
3. Soziale Betreuung der Einzelne:
Durch die neuen Wohnungen, das Kulturzentrum und die Werkstätten würde ein Rahmen für eine gründliche soziale Hilfe geschaffen werden. Für ihre Durchführung wären noch Menschen nötig. Esgibt eine deutsche soziale Fürsorge, die auch für die Letten gilt. Ihre Wirksamkeit ist aber nicht auf die Lagerauflösung abgestimmt. In den schlimmsten Fällen der Not wird dadurch, meistens vorübergehend‚ geholfen. An die Wurzel des Übels reicht sie aber nicht heran. Der Kreis der einzelnen Fürsorgerinnen ist groß.
Es gibt auch Eingliederungsberater, die den nichtdeutschen Flüchtlingen bei dem Hineinkommen in die deutsche Umgebung helfen sollen. Diese sind aber mit äußerlichen Dingen beschäftigt. Sie sorgen für die Einweisung in die Wohnungen, Möbelbeschaffung und für viele formelle Dinge. Sehr viel Zeit nehmen die verschiedenen Berichte, die sie machen müssen und die verschiedenen Verordnungen, die sie beantworten müssen. Das ganze psychologische
Gebiet der Flüchtlinge bleibt praktisch unberührt, obwohl die Eingliederungsberater sehr viel tun und meistens überlastet sind. Aus meiner fünfjährigen Seelsorgertätigkeit im Lager kann ich sagen, daß die seelische Not hier sehr groß ist und daß sicher Möglichkeiten zu helfen, da sind. Es fehlen nur die Menschen, die das tun können, Mit den Kräften, die da sind, schaffen wir zu wenig. Meine Bitte ist, den Aufenthalt 2 holländischer Sozialarbeiter im Lager Ohmstede für 3 Jahre zu finanzieren. Es sind Verbindungen mit der “Oekumenische Hulp aan Kerken en Vluchtelingen” und mit dem “Nationale diakonale Raad der Ned.-Herv. Kerk” aufgenommen worden. Geeignete Personen für die Arbeit im Lager sind da.
Ein Plan für die Sozialarbeit: EinTeam soll gebildet werden. Daran sollen außer den holländischen Sozialarbeitern, derdeutschen Eingliederungsberater und Fürsorger wie auch ich beteiligt sein. Für jede Lagerfamilie sollten Wege gesucht werden, wie sie tatsächlich in ein normales Leben hineingeführt werden kann. Jede Spendenverteilung sollte mit psychologischer Hilfe verbunden sein. Für ein gutes Betriebsklima in den Werkstätten müßte gesorgt werden. Sehr viele Hausbesuche und Gespräche wären nötig. Viele Verhandlungen mit verschiedenen Behörden werden unumgänglich sein. Auf die Begegnung mit der Umwelt sollte planmäßig hingearbeitet werden.
Gerade holländische Sozialarbeiter sind aus mehreren Gründen erwünscht. Fast alle im Lager haben ein sehr großes Vertrauen zu Holländern. Es wäre leicht, Kontakt zu finden. Als Unabhängige könnten sie auch leicht eine Brücke zwischen Deutschen und Letten schlagen. Auch bei den Verhandlungen mit manchen Behörden könnte es günstig sein, daß ein Ausländer sie führt. Im Weltflüchtlingsjahr sind sehr viele Einzelkontakte in Holland entstanden. Diese sollte weiter gepflegt und ausgebaut werden.
Soweit ich die holländische Sozialarbeit kennenlernen konnte, scheint mir, daß sie der Not an die Wurzel zu gehen versucht. Das ist im Lager besonders notwendig.
4. Notfond.
In der nächsten Zeit, nach dem Umziehen in die neuen Häuser, wird manche Not sichtbar werden. Die Mieten sind viel höher, als bis jetzt. Es wird wohl in vielen Fällen eine Beihilfe von deutscher Seite kommen, es werden aber sicher auch Fälle sein, wo keiner recht zuständig ist. Um da zu helfen, wären Mittel nötig. Es wird sich sicher auch erweisen, daß dem einen oder anderen helfen kann, in ein normales Leben hineinzukommen, wenn er eine Beihilfe bekommen kann. Solange das Lager besteht, sind auch Möglichkeiten da, Geld für verschiedene Nöte zu bekommen. Nach der Lagerauflösung wird dieses schwierig sein. Deshalb wäre es gut, einen Reservefond zu haben.
Ich bin mir dessen bewußt, daß meine Skizze über die Lage und meine Vorschläge zur Lösung der Probleme nicht vollkommen sind. Sie entspringen aber einemfünfjährigen Mitleben im Lager und einem Ringen um eine tatsächliche Hilfe. Die Not brennt hier wie ein Feuer. Wir hoffen, daß diesmal das Feuer nicht nur bespritzt, sondern wirklich gelöscht werden kann. Wenn jetzt nicht eine gründliche Hilfe kommt, dann wird Vieles, was hier begonnen worden ist, sich als vergebens erweisen.
Unser Vertrauen zu Holland ist groß. Wir legen unsere Probleme in Ihre Hände und sind davon überzeugt, daß Sie uns helfen wollen.
Paulis Urdze, Pastor.