BCSB zwischen gestern und morgen

Paulis Urdze Überlegungen zum Anlass des 25-jährigen Bestehens des Baltischen Christlichen Studentenbundes.


Kinder, die 1947 geboren wurden, sind jetzt Erwachsene. Sie könnten ihr Studium abgeschlossen haben und unsere Altmitglieder sein.

1947 ist auch das Geburtsjahr des BCSB. Es ist nicht meine Absicht die Geschichte unseres Bundes zu schreiben, sondern nurein wenig über seine Entwicklung nachzudenken.

In der Entstehungszeit sind fast an allen Universitäten Westdeutschlands grössere oder kleinere Gruppen baltischer Studenten.Eine kurze Zeit besteht sogar die Baltische Universität in Pinneberg. Der Krieg ist eben zu Ende gegangen. Von einem grossenmateriellen Aufbau ist noch nicht die Rede. Man räumt den Schutt weg. Die Lebensverhältnisse der Studenten sind primitiv. Diemeisten sind in Studentenlagern in alten Baracken untergebracht. Geld haben nur die Spekulanten, die anderen haben Hunger.

Die Gründergruppe des BCSB, unter Leitung des heutigen Generalsekretärs, komnt im Lager Kiel-Wik zusammen. In Rendsburg findet der erste Kongress statt. Es entstehen baltische christliche Studentengruppen. In den meisten Gruppen steht im Zentrum die wöchentliche Bibelarbeit. Sie wird abwechselnd von Studenten verschiedener Fakultäten geleitet. Das wichtigste ist das Hören auf den biblischen Text und die Aussprache. Es gibt auch Diskussionsabende. Tagungen werden organisiert. Auch dort steht die Bibelarbeit im Zentrum. Vorträge werden fast nur über geistliche Themen gahalten. Für die Teilnehmer ist das  geistliche Gebiet sehr aktuell. Die Kontakte zu dem christlichen Studenten Weltbund und zu der ganzen oekumenischen Bewegung sind rege. Unsere Mitglieder nehmen an internationalen christlichen Tagungen teil. Sie arbeiten oft auch in der deutschen Studentengemeinde mit. Bei den baltischen Flüchtlingen arbeitet der BCSB nicht nur mit Studenten, sondern auch mit Jugendlichen. Dadurch ensteht aine Zusammenarbeit mit den Kirchen. Ausser dem Generalseketär, wirken noch einige andere Altnitglieder aktkv und verantwortlich mit, der grösste Tei der Arbeit wird aber von den Studenten getragen.

Wie in unserem ganzen Exilleben, so auch in der Arbeit des BCSB bildet die Auswanderung einen wesentlichen Einschnitt. Die Mitglieder müssen sich in den neuen Verhältnissen, die sie in den Aufnahmeländern vorfinden, zurechtkonmen. Die Verstreuungninnt zu. Die Mitglieder, die vor der Auswanderung in Gruppen in Westdeutschland lebten, verteilen sich nun in der ganzen westlichen Welt. Ihre Zahl an den einzelnen Orten ist meistens so klein, dass eine Gruppenbildung kaum möglich ist. Hier und da werden Versuche unternonnen die alte Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, dauernde Erfolge zeigen sich aber nirgends.

Die aktiven Mitglieder, nach dem Abschluss ihres Studiums, werde zu Altmitgliedern. Sie kommen in neue Aufgabegebiete  hinein, die sie ganz in Anspruch nehmen. Viele versuchen nicht nur in Einklang mit ihrem christlichen Glauben zu leben, sondern ihn auch weiterzugeben. Eine Arbeit im Sinne der Ziele des BCSB wird es aber nicht. “Studenten zum christlichen Glauben an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, gamäss der Heiligen Schrift zu führen, und ihnen zu helfen als wahre Jünger Jesu Christi zu leben” (P. 1 unserer Satzung) ; “Das geitliche Leben der Studenten zu vertiefen und ersthaftes Bibelstudium unter ihnen zu fördern” (P. 3) – wie soll man das, wenn weit und breit kein baltischer Student zu finden ist? Die zentralen Organe des Bundes fordern inmer wieder auf Aktivitäten im Sinne der Satzung aufzuweisen, für die Altmitglieder erscheint aber die Satzung als ein Anzug, der überhaupt nicht mehr passt. Die Haupschwierigkeiten in der Bezeichnung des Bundes, dem sie ja angehören, bereitet ihnen wohl nicht das Wort “Christlicher”, sondern das Wort “Studenten”. Jeder muss doch in dem Personenkreis leben und wirken, in dem er durch seinen Beruf und dureh die Umstände hineingekommen ist. Es wäre sinnvoll, die Altmitglieder zu bitten über ihre jetzige Tätigkeit zu berichten. Das könnte uns vielleicht zu der Erkenntnis verhelfen, dass das Wort Jesu Christi auch in politischen, ökunomischen und vielen anderen Gebieten Geltung haben kann (P. 6 der Satzung).

Die Zahl der aktiven Mitgliedern in den aussereuropäischen Ländern ist sehr klein. Das weist wohl darauf hin, dass unser Bundnicht die richtige Art gefunden hat, dort seine Aufgabe zu erfüllen. Die meisten baltischen Studenten in der westlichen Welt sind jetzt in USA und Canada. Dort müsste naturgemäss auch die Hauptarbeit geschehen. Es wäre gut, wenn jemand von unseren Mitgliedern, die dort leben, seine Meinung über die konkreten Möglichkeiten durch dieses Blatt den anderen mitteilen würde. Wenn es nicht möglich ist Gruppen an den einzelnen Universitäten zu bilden, dann sollte man vielleicht daran denken, provisorische oder feste Zentren für die baltische christliche Studentenarbeit in Amerika zu schaffen.

Der in Deutschland verbliebene Rest der Mitglieder konzentrierte sich durch die Bemühungen des Generalsekretärs zu erst auf Hangelar, dann auf Annaberg. Das Entstehen dieses Zentruns ist sicher nicht nur Menschen, sondern in erster Linie Gott zu verdanken.

Der Arbeitseinsatz der Studenten, besonders auf Hangelar, ist beträchtlich gewesen. Es würde zu weit führen hier auf die sehrbeachtenswerte Arbeit auf Anneberg einzugehen. Die Jugend- und Studententagungen sowie die Familenfreizeiten haben sicher eine grosse Bedeutung. Annaberg spielt auch als Begegnungszetrun für die Balten aus der ganzen Welt eine grosse Rolle.

Sonst ist als positiv in der Arbeit in Europa zu vermerken, dass die Zahl der aktiven Mitglieder in den letzten Jahren zugenonnenhat, obwohl die Altmitglieder immer noch überwiegen. Zur Bildung von BCSB Gruppen ausserhalb von Annaber ist es auch in Europa kaum gekonmen.

Die vom lettischen Teil des BCSB herausgegebene Zeitschrift “Vēstnesis” wird von einen verhältnismässig grossen Kreis gelesen,man kann aber nicht behaupten, dass diese Zeitschrift besonders für Studenten gedacht wäre. Eine Abgrenzung ist schlecht möglich.

Das Hauptproblem ist, dass die Zahl der Balten in der westlichen Welt inmer mehr abninnt. Besonders deutlich ist es in Europa zu spühren. Da die Zahl der Studenten und Jugendlichen, die sich bewusst als Esten, Letten oder Litauer betrachten, nicht grossist, kommt es dazu, dass die aktiveren an allen baltischen Veranstalltungen, ob sie nun christlich oder nicht christlich sind, teilnehmen. Das muss positiv gewertet werden. Die Kehrseite ist aber, dass ein Baltischer Christlicher Studentenbund an Substanz verliert.

Die drei Worte in der Bezeichnung unseres Bundes wirken wie Siebe. Durch die Bezeichnung “baltisch”, in unseren  Zusammenhang genauer gesgt: estnisch, lettisch und litauisch ausserhalb der Heimat, bildet schon eine starke Einschränkung. Das Wort “christlich” stellt eine Glaubensentscheidung als Bedingung. Noch nie ist ein ganzes Volk im ernsthaften Sinne christlich gewesen. Die baltische Gruppe wird also nochmals eingeschränkt. Nur ein kleiner Teil von den Balten, die Christen sind, sind auch Studenten oder solche, die ihr Studium abgeschlossen oder abgebrochen haben. – Also eine dritte Einschränkung. Dazu komnt noch, dass nicht alle baltischen christlichen Studenten können oder wollen unseren Bund angehören. Es ist selbstverständlich, dass die Zahl derer, die durch alle Siebe durchkomnen, sehr klein sein muss.

Es bleibt uns überlassen, ob wir die kleine Zahl akzeptieren, oder mindestens einen der Sieba fallen lassen. So kann entstehenein

  1. (Baltischer) Christlicher Studentenbund,
  2. Baltischer (Christlicher) Studentenbund oder
  3. Baltischer Christlicher (Studenten) Bund.

Mehr oder weniger tendieren wir immer in einer der drei Richtungen. Solnge wir es deutlich sehen, ist die Gefahr gering. Nichtstarr, sondern offen und beweglich zu sein, das kann eine positive Haltung sein.

Wenn ein Wort in der Bezeichnung unseres Bundes ausgeklanmert wird, ohne dass wir es recht merken, dann müssen wir feststellen, dass es mit unserer Wahrhaftigkeit schlecht steht. Wenn eine Ausklammerung stattfinden muss, dann müssen wir sehr bewusst und deutlich entscheiden, welches Wort wir ausklanmern wollen.